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Stadt Erftstadt

Kierdorf

Der heutige Ort Kierdorf besteht aus den Dörfern Kierdorf und Roggendorf, als Rouchesdorp 1113 erstmals genannt, und den beiden kleinen Siedlungen Schildgen und Zieselsmaar.

Schon in römischer Zeit hat war der Bereich des heutigen Kierdorf besiedelt, wie Keramikfunde und Gräber belegen.

Als die Franken das Land in Besitz nahmen, hatte sich das Waldgebiet der Ville ausgedehnt. Die fränkischen Könige ließen Teile der Wälder roden, um das Land nutzbar zu machen und zu besiedeln. Rodetrupps, die nach ihrem Anführer genannt wurden, ließen sich in den gerodeten Gebieten nieder. Roggendorf gehört zu den Orten, die auf einer Rodung gegründet worden sind.

Es ist anzunehmen, dass sich an der Heerstraße von Bonn nach Bergheim und Aachen im Laufe der Zeit eine kleine Siedlung entwickelt hat, die Kierdorf (Kirchdorf) genannt wurde. Der Ortsname Kierdorf wird erstmals 1233 erwähnt.

In Kierdorf wurde in 12. Jahrhundert die Pfarrkirche aus Stein erbaut, deren Turm noch erhalten ist und zu den bedeutenden Baudenkmälern Erftstadts zu zählen ist. Die heutige Kirche wurde 1874-1875 im neuromanischen Stil nach Plänen des Architekten August Lange gebaut.

In Zieselsmaar lagen im 14. Jahrhundert mehrere Höfe, die im Laufe der Zeit mit Ausnahme eines kleinen Höfchens an das Stift St. Severin verkauft wurden. Der Zieselsmaarer Hof des Stiftes wurde in der Säkularisation (Enteignung und Verkauf kirchlicher Güter unter Napoleon) verkauft.

Zieselsmaar bestand aus wenigen, überwiegend zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbauten Häusern. Sie lagen an der von der Heerstraße (heute Friedrich-Ebert-Straße) abzweigenden Berrenrather Straße. Bis auf zwei heute noch stehende Häuser fielen alle dem Braunkohletagebau zum Opfer. Seit Mitte 2003 wurden in Zieselsmaar von RWE Power etwa 25 Baugrundstücke an Interessenten verkauft, die inzwischen alle bebaut sind.

Jahrhunderte lang war Roggendorf bedeutender als Kierdorf. In Roggendorf lagen mehrere größere Höfe im Besitz von Adeligen. Die Höfe existieren heute nicht mehr.

Schildgen war die Bezeichnung für einen Acker, der auch „binnen den elf Morgen“ hieß. Erst im 17. Jahrhundert wurde „auf dem Schildgen zu Roggendorf“ ein Hof aufgebaut. Der Besitzer war Gastwirt und betrieb dazu Landwirtschaft. So war es auch noch im Jahre 1801. Die heutige Gastwirtschaft Zingsheim, ehemals Rausch, steht in der Nachfolge dieser Gastwirtschaft. Bis zu den Neubauten Anfang der 1950er Jahre gab es in Schildgen nur einige Häuser.

Kierdorf und Roggendorf bildeten zusammen mit Brüggen eine Honschaft (Vorläufer der Gemeinde) im kurkölnischen Amt und Gerichtsbezirk Lechenich. Die Grenze zu Dirmerzheim bildete der Limerssteg.

Die Gemeinde hatte ursprünglich gemeinsamen Besitz, den Gemeindebroich. Der Gemeindebroich wurde teils als Viehweide, teils zum Holzabbau, seit etwa 1718 auch zum Turffabbau genutzt. Ende des 18. Jahrhunderts hatten die Herren Wolff Metternich zur Gracht fast dreiviertel des Kierdorfer Broiches erworben.

Die Einwohner von Kierdorf und Roggendorf lebten wie die Einwohner der übrigen Orte der heutigen Stadt Erftstadt von der Landwirtschaft. Fast alle waren Kleinbauern mit nur wenigen Morgen Land und ein wenig Vieh.

Im so genannten Hessenkrieg (einem Teil des Dreißigjährigen Krieges) wurde 1642 bei der Belagerung Lechenichs Roggendorf in Brand gesteckt.
In der Zeit der französischen Herrschaft 1794-1814 wurden im Jahre 1800 Verwaltungsbezirke nach französischem Vorbild geschaffen. Brüggen wurde aus der alten Honschaft ausgegliedert. Kierdorf und Roggendorf sowie Schildgen und Zieselsmaar bildeten die Gemeinde Kierdorf in der Mairie Liblar. Die Mairie, zu der auch die Gemeinde Bliesheim gehörte, blieb nach 1815 als Bürgermeisterei und später als Amt auch nach 1946 bis zur kommunalen Verwaltungsreform bestehen. Seit 1969 gehört die Gemeinde Kierdorf zur neu gebildeten Stadt Erftstadt.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann die konzessionierte Ausbeute der Braunkohle in Zieselsmaar. (Nach dem Bergwerkgesetz von 1810 durfte Braunkohle nur mit staatlicher Konzession abgebaut werden).

Die erste Brikettfabrik „Carl Brendgen, Braunkohlen-, Briket-& Thonwerke in Zieselsmaar“, die mit technisch modernen Brikettpressen arbeitete, wurde von Karl Brendgen, der die Ausbeutungsrechte an mehreren Gruben gekauft hatte, 1891 eröffnet. Nachdem Brendgen 1902 Ausbeutungsrechte am Braunkohlefeld „Concordia“ erworben hatte, wurden moderne Gebäude an die alte Fabrik angebaut, die seitdem „Concordia Nord“ hieß zur Unterscheidung von „Concordia Süd“ in Liblar. 1911 baute Brendgen eine weitere Fabrik, die mit den bisherigen Gebäuden verbunden war. Der gesamte Komplex „Concordia Nord“ in Zieselsmaar wurde von der Kierdorfer Bevölkerung „Concordia“ genannt.

Die Mehrzahl der Kierdorfer arbeitete in den Braunkohlegruben und in der Brikettfabrik. Sie hatten eine gesicherte Arbeitsstelle und ein geregeltes Einkommen.

Durch die Braunkohleindustrie waren die Einnahmen der Gemeinde gestiegen. Der Ausbau der Durchgangsstraße, der Heerstraße, förderte den Handel, vor allem mit Brikett, Getreide, Kartoffeln. Doch wurden auch viele Produkte zu Fuß nach Köln zum Markt gebracht. Die 1899 gebaute Bahnstrecke Horrem/Mödrath-Liblar-Brühl mit einem Gleisanschluss in Zieselsmaar ermöglichte den Transport der Briketts bis nach Wesseling zum Verladehafen.

Nachdem die Förderkapazität der Braunkohle vollständig ausgeschöpft war, schloss die Brikettfabrik „Concordia“ in Zieselsmaar 1958 ihre Tore. Die Arbeiter wurden von anderen Fabriken übernommen. Das ehemalige Betriebsgelände ist heute ein Bestandteil des Naherholungsgebiets Ville.

Karl Brendgen betrieb auch eine Ziegelei (Verblendstein- und Drainageröhrenfabrik). Die Fassade vieler Gebäude, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut oder restauriert worden sind, besteht aus „Brendgen-Klinker“, einem gelben Klinker, der von der Firma Brendgen hergestellt wurde.

1908 erhielt die Gemeinde Kierdorf eine Wasserleitung. Die Einwohner mussten nicht mehr wie bisher Wasser aus dem Kocherbach oder aus dem öffentlichen Brunnen am Friedhof holen. 1913 erhielten die Haushalte Anschluss an das Stromnetz.

Kierdorf hatte schon 1934 eine öffentliche Badeanstalt in Räumen der heutigen AWO.

1939 wurde das Freibad in Roggendorf eröffnet. Es war eines der frühesten Freibäder im damaligen Kreise Euskirchen.

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war die Struktur der Orte unverändert. Kierdorf lag an der Heerstraße, südwestlich von Kierdorf lag Roggendorf an der Hauptstraße (heute Wiesenstraße). Roggendorf war der größere und auch wohlhabende Ort mit Geschäften und Handwerksbetrieben.

1959 wurde hinter der alten Schule am Martinsplatz vom 1877 mit einem Anbau von 1910 eine neue Schule gebaut. Der Neubau entstand in mehreren Bauabschnitten bis 1994. Die alten Schulgebäude werden heute noch zum größten Teil als Klassenräume genutzt.

Nach der Schulreform von 1968 blieb Kierdorf die Grundschule erhalten, in der seit 1978 auch die Köttinger Grundschüler unterrichtet werden.

Durch die Braunkohleindustrie hatte die Gemeinde Kierdorf einen starken Zuwachs zu verzeichnen. Hatte die Gemeinde Kierdorf 1801 insgesamt ungefähr 250 Einwohner, so waren es 1939 schon 1188. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl durch die Heimatvertriebenen und andere Bauwillige stetig weiter. Heute zählt die Gemeinde etwa 3.200 (Stand 2018) Einwohner.
Das ehemals zwischen den Orten Kierdorf und Roggendorf liegende Ackerland ist nach dem Zweiten Weltkrieg zu Bauland geworden. Kierdorf war die erste Gemeinde des damaligen Kreises Euskirchen, die sich dem Zuzug durch preiswerte Grundstücke öffnete.

Die Grenzen zwischen den Ortsteilen Kierdorf und Roggendorf sind verschwunden. Die ehemalige Gemeindebezeichnung Kierdorf ist 1954 durch einen Beschluss des Gemeinderates zur Ortsbezeichnung Kierdorf geworden. Bis Ende der 1950er Jahre wurde Roggendorf noch Roggendorf/Kierdorf genannt, danach verschwand die Ortsbezeichnung. Nur der Name der in 2017 abgerissenen Gastwirtschaft „Haus Roggendorf“ erinnerte an das alte Dorf. Die Orte der ehemaligen Gemeinde Kierdorf sind heute zu der Einheit Kierdorf zusammengewachsen.
Der „Geschichtskreis Kierdorf“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte des Ortes aufzuarbeiten. Alle Vereine haben sich zu einer Dorfgemeinschaft zusammengeschlossen und bemühen sich mit ihren gemeinsamen Veranstaltungen, die Einheit zu erhalten.

(Gekürzte Fassung der Ortsgeschichte „Kierdorf“ von Hanna Stommel/Frank Bartsch in: Denkmäler in Erftstadt“ von Frank Bartsch, Dieter Hoffsümmer, Hanna Stommel. Aktualisiert 2007)

(Fotos: Hans Oberzier, Dr. Horst Komuth;
Die Dorfgemeinschaft Kierdorf hat von den Bildern Postkarten anfertigen lassen)

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Hans Oberzier, Dr. Horst Komuth
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